Alle Abbildungen © Joan Colom, courtesy Foto Colectania
Zwei Jahre lang durchstreifte Joan Colom (Jg.1921) Ende der fünfziger Jahre jedes Wochenende in Barcelona das Stadtviertel El Raval, bekannt auch als Barrio Chino. Der Fotograf hielt seine Kamera auf Hüft- oder Kniehöhe und betätigte den Auslöser. Durch diese versteckte Aufnahmetechnik gelangen ihm ungestellte Portraits von Prostituierten, Freiern, Straßenkindern und Händlern des Raval. Joan Colom wählte in der Dunkelkammer Ausschnitte und vergrößerte Details der ursprünglichen Aufnahmen. Dieses fotografische Vorgehen war für die Zeit ungewöhnlich progressiv und eigenständig und verhielt sich konträr zur in den 50er Jahren favorisierten Fotografieästhetik. Joan Coloms Arbeit orientiert sich an den konzeptuellen Ansätzen eines Walker Evans und begreift das Negativ und den Abzug als zu gestaltendes Material. Fast 50 Jahre lang war diese komplexe Arbeit mehr oder minder verborgen und wurde erst vor wenigen Jahren erstmals in Spanien einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt. Bereits 1964 wurden einige von Joan Coloms Aufnahmen von Prostituierten im heute legendären Buch „Izas, Rabizas y Colipoterras“ zusammen mit einem Text von Camilo José Cela, dem späteren Literaturnobelpreisträger, veröffentlicht. Trotz seines anfänglichen Erfolges wurde das Buch zum Gegenstand eines Skandals: Im franquistischen Spanien war das Sujet in seinem liberalen Ansatz gesellschaftlich nicht akzeptabel. Joan Colom gab darauf hin das Fotografieren auf und nahm erst Mitte der 1980er Jahre seine Spaziergänge durch das Raval wieder auf.
Joan Colom ist ein bedeutender Chronist einer Gesellschaft, die im Spanien der Franco-Zeit kaum im Bild festgehalten wurde. Die lebendigen Straßenszenen zeigen das, was es unter der Diktatur Francos nicht geben durfte: Prostitution, Armut, Verwahrlosung, aber auch ein soziales Leben, das von Müßiggang und Sinnlichkeit geprägt ist. Im Jahr 2002 wurde Joan Colom mit dem spanischen „Premo Nacional de Fotografia; ausgezeichnet, 2003 erschien seine erste Monografie in Spanien.
Im Steidl Verlag erschien 2006 das Buch Raval. Mit einer Einführung von Agnès Sire und Ute Eskildsen, einem Geleitwort von P. Font de Mora und einem Essay von M. Gili .
20 x 24 cm, 156 S., 85 Duotone-Tafeln, geb. Text deutsch.
In Kooperation mit der Fundació Foto Colectania