Zwischenspiel
Daniela Friebel | Jonas Habrich | Meike Redeker | Christian Retschlag | Stella von Rohden & Sascha Kregel
Ausstellungsort: Torhäuser
Eröffnung: 24.06.2016, 19 Uhr
(English version down below)
Die Ausstellung im Museum für Photographie vereint fünf künstlerische Positionen aus Braunschweig, Hannover und Berlin, die überzeugende Arbeiten im Bereich der Fotografie darstellen. Fast alle Arbeiten werden hier das erste Mal gezeigt und sind zum Teil für diesen und in Auseinandersetzung mit dem Ausstellungsort entstanden.
So unterschiedlich die Herangehensweisen aller fünf Positionen sind – eine Gemeinsamkeit lässt sich dennoch festhalten: Alle fünf künstlerischen Positionen setzen sich mit dem Medium Fotografie selbst auseinander. Es sind nicht nur (wenn überhaupt) Arbeiten mit sondern vor allem über Fotografie. Sie loten die Möglichkeiten und Grenzen des Mediums aus.
Die Arbeit untitled (2016) von Stella von Rohden & Sascha Kregel ist das Ergebnis einer neuen künstlerischen Kollaboration. Erstmalig zeigen die beiden Künstler einen Einblick in ihre Zusammenarbeit, die erst in diesem Jahr begann. Die raumgreifende Installation, die in zu sehen sein wird, ist das Resultat eines vielstufigen Produktions- und Transformationsprozesses, der neben Fotografie auch Zeichnung und Skulptur vereint. Er beginnt mit kleinen Arbeiten jedes Einzelnen, die in einem Modell zusammengestellt und fotografiert werden, um in einem letzten Schritt in den Museumsraum übertragen zu werden. Die Arbeit nutzt die Fotografie nicht als Medium, das abbildet, sondern als eigenständiges Gestaltungsmittel, den ‚klassischen’ Künsten wie Malerei und Skulptur in ihrem künstlerischen Potential ebenbürtig.
Jonas Habrichs Arbeit Etwas später (2016) hat auf den ersten Blick nichts mit Fotografie zu tun: Eine schwarze, raumfüllende Holzfläche, aus der ein Quadrat ausgeschnitten und mit Ton gefüllt wurde. Aus dem Ton führen Fußspuren heraus. Habrich befindet sich hier im Metaphernraum der Fotografie. Die Fotografie als „Spur“ eines vergangenen Moments ist eine der prominentesten Metaphern der Fotografiegeschichte. Habrich überträgt sie in eine bildhauerische Arbeit, die auf subtile Weise auch die Grenzen des Mediums Fotografie aufzeigt. Der Ton hat die Abdrücke einer Tänzerin aufgenommen, die wenige Tage zuvor dort gewesen ist. Dieses Ereignis ist für den Betrachter in unerreichbare Ferne gerückt. Es existiert nur noch in den Spuren im Ton und in der Imagination des Betrachters – so wie auch eine Fotografie immer nur einen Moment zeigen kann, ihn aber nie vollständig wiederholt.
Zwei große QR-Codes prangen auf den beiden Billboards neben den Torhäusern des Museums für Photographie. Scannt man sie mit einem Smartphone, gelangt man zu Meike Redekers Arbeit Gähnen Kratzen Summen (2016), einem textbasierten Film, der den Vorbeispazierer – nicht unbedingt den Museumsbesucher – Teil einer filmischen Handlung werden lässt. Der Film lenkt den Blick des Betrachters auf seine Umgebung, die für ihn als inszenierte Wirklichkeit erscheint. Gähnen Kratzen Summen basiert auf der Arbeit SCRATCH, YAWN, HUM, die Redeker 2015 für einen Galerieraum entwickelte. Für die Ausstellung hat Redeker die Arbeit an die besondere räumliche Disposition des Museums und die Präsentation im öffentlichen Raum angepasst. Somit fungiert Gähnen Kratzen Summen als Brücke in der Ausstellung. Sie lässt das räumlich geteilte Museum eins werden und verbindet die Arbeiten in den beiden Torhäusern miteinander.
Als Absolvent der Hochschule der Bildenden Künste hat sich Christian Retschlag im Raum Braunschweig als Fotograf enigmatischer Einzelbilder bereits einen Namen gemacht. In wird Retschlag, neben weiteren Arbeiten, erstmalig einen Ausschnitt aus einer im Entstehen begriffenen Reihe zeigen. Es sind Fotografien von einzelnen Bäumen im Wald, die durch ein dahinter gehaltenes weißes Papier freigestellt wurden. Die Sachlichkeit dieser Aufnahmen erinnert an die Pflanzenfotografie eines Karl Blossfeldts. Anders als bei Blossfeldt ist der Akt der Freistellung bei Retschlag jedoch Teil und Thema des Bildes. Es ist ein Eingriff in die Natur, der die Natur – für den kurzen Moment der Aufnahme – zum Kunstobjekt macht.
Bei Daniela Friebels fotografischen Arbeiten lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Die Künstlerin hat sich das Trompe l’oeil zum Schwerpunkt ihrer künstlerischen Arbeit gewählt, ein aus der Malerei stammendes Genre, das es auf die Vortäuschung von Wirklichkeit anlegt. Friebels Paintings (2015) etwa – drei übergroße Leinwandrücken, die im Eingangsbereich des zweiten Torhauses lehnen – offenbaren sich bei näherem Hinsehen als überdimensionale Fotografien. Auch dass die eigentümlichen Felsformationen der Arbeit Batería (2015) in Wirklichkeit militärische Zwecke erfüllen, sieht man erst nach längerem Studium der Fotografien und Texte. Friebels Arbeiten sind spielerische Auseinandersetzungen mit der Fotografie. Im Prozess des ‚Schauens – Getäuscht Werdens – Erkennens’ wird der Betrachter dazu animiert, über das Verhältnis von (fotografischem) Bild und Referent nachzudenken. Es wird offenbart, dass ein Bild eben etwas anderes ist als der Gegenstand, den es repräsentiert.
Gefördert durch
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The exhibition in the Museum für Photographie joins five artistic attitudes from Brunswick, Hanover and Berlin with convincing photographic works. The vast majority of works is shown for the first time. The artists developed some of the oeuvres especially for and in examination of the exhibitions locality.
As different as the five approaches are, there is one commonality to hold on to: all five artists are looking into the subject of photography itself. They produced works not only by but above all about photography.
The work untitled (2016) by Stella von Rohen & Sascha Kregel is the result of a new artistic collaboration. These two artists are for the first time giving an insight in their collective work which only started this very year. The voluminous installation about to be on display in is the result of a multistage process of production and transformation which contains drawing and sculpture in addition to photography. The process begins with small works from both contributors artists which are composed in a model and photographed. The last step is the transfer into the exhibition space. Photography is not being used as a medium that pictures something but as an independent creative power equaling the “classic” arts like painting and sculpture.
Jonas Habrichs work Etwas später (a little later, 2016) has, at first sight, nothing to do with photography: a voluminous black wood surface from which the artist cut out a square piece and filled it up with clay. There a clay foot prints leading away. Habrich uses photography’s metaphoric range. “Tracking” past moments is one of the most prominent metaphors throughout the history of photography. By transferring the theme into a sculptural work, Habrich shows the limitations of the medium photography in a subtle way. There are footprints in the clay. Made by a dancer who had been there just a few days ago. This occurrence is now inaccessible for the beholder. Its former existence lingers on in the footprints and the beholders imagination. Similar to a photography which can onlydisplay an excerpt of a moment but never its entirety.
Two big QR codes are on display on one of the museum’s two billboards. By scanning them with a smartphone one can access Meike Redeker s work Gähnen Kratzen Summen (2016). It is a text-based film making the passerby, not necessarily a visitor of the museum, part of the filmic action. Gähnen Kratzen Summen is based on the artist’s work SCRATCH, YAWN, HUM. Redeker developed this work for a gallery in 2015. For the current exhibition Redeker adapted her work to the museum’s spatiality and the presentation in a public space. In this way Gähnen Kratzen Summen functions as a connecting piece between the museum’s two gate houses that are separated by a road.
Christian Retschlag, being a graduate of Brunswick’s Hochschule der Bildenden Künste, is locally renowned for his enigmatic single works. The current exhibition will, in addition to other works, feature an insight into a new series which is currently a work in progress. Single trees are singled out through a sheet of white paper held behind them. The works objectiveness reminds of Karl Blossfeldts plant photography. The act of singling out is part and even theme of Retschlag’s work. And herein lies the difference to Blossfeldts pictures. It is an intervention into nature making nature an objet d’art for a brief moment.
Daniela Friebels works are worth a closer look. The artist’s emphasis is on trompe-l’oeil, an art technique that creates optical illusions. Friebel’s work Paintings (2015) for example – seemingly the back of three oversize canvases leaning in the entrance area of one of the museum’s gate houses are on closer examination very large photographies. Another example is her work Batería (2015). It shows bizarre rock formations. Identifying the military purposes they are being used for requires closer examination of the photographies and the accompanying texts. Friebels works are playfully looking into the subject of photography. By the means of looking, being deceived and final recognition the beholder is being encouraged to reflect the relationship of (photographic) picture and beholder. It is made apparent that the image is different from the object it represents.